Läuft und läuft und läuft

Alles Wissenswerte aus Mexiko und dem New Beetle
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rote Zora
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Läuft und läuft und läuft

Beitragvon rote Zora » Dienstag 19. Juli 2005, 13:44

Aus Anlaß des neuen "Herbie"-Films: Der Mythos des VW Käfer und die aktuelle Sehnsucht nach den fünfziger Jahren


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Roland Barthes hat viel Unheil angerichtet mit seinem Bekenntnis: "Ich glaube, daß das Auto heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist." Dieser 1957 veröffentlichte Satz aus "Mythen der Alltagswelt" wird bis heute gern von Leuten zitiert, die weder etwas von Autos noch von Kathedralen verstehen. In Wahrheit ist das Kathedralenzeitalter der Kraftfahrzeuge vorbei. Wären heutige Autos Immobilien, dann wären manche von ihnen vernünftige energiesparende Fertighäuser, andere teure Neubauwohnungen, in denen Räumhöhe und Parkett Altbaucharme simulieren, und dritte eine Mischung aus Puff und Festung.


Den Unterschied zeigt ein neuer Film, mit dem die Kinoabteilung des Disney-Konzerns an die Erfolge einer fast 40 Jahre alten Reihe anknüpfen will. Der Held von "Herbie Fully Loaded" (Start in Deutschland am 4. August) ist der "Tolle Käfer", der einst auf der Leinwand serienweise Autorennen gewann. Denn dieser Kleinwagen hatte eine Seele und konnte dank seines Willens jeden PS-stärkeren Gegner schlagen. Nun hat ihn eine junge Nachwuchsrennfahrerin auf dem Schrottplatz gefunden und wachgeküßt. Geworben wird dafür mit dem Slogan: "Er ist zurück!"


Man muß nicht zum kulturkonservativen Gejammer neigen, um anzunehmen, daß in 30 Jahren keine Filme mit Titeln wie "Das Comeback des verrückten Ford Focus" oder "Renault Mégane ist wieder da!" gedreht werden. Autos sind keine gesellschaftlichen Ikonen mehr - wie einst die Ente oder der Mini. Wenn irgendwann eine Retrowelle für unsere Gegenwart ansteht, wird man sich an I-Pods oder an bestimmte Handytypen erinnern.


Bezeichnenderweise waren die beiden letzten Autos, denen eigene Filme gewidmet wurden, der Trabbi und der Manta: Geschöpfe aus der Zeit vor der Ölkrise, über deren Fahrer man sich lustig machte. In den Kreisen akademischer Mittelständler hat die ökologische Ideologiekritik dem Auto als Fetisch längst den Garaus gemacht. Man fährt noch, aber man spricht nicht mehr darüber. Mit nichts kann man sich heute nachhaltiger lächerlich machen als mit enthusiastischem Gerede über Autos oder - noch schlimmer - über das mittlerweile vollkommen in die Rentnerszene verdrängte Motorrad.


Anlaß für Barthes' Kathedralenvergleich war einst der neue Citroen DS, der als "La déesse" - die Göttin - in die Geschichte eingegangen ist. Bei einem solchen Auto leuchte die Ähnlichkeit sofort ein. Aber war denn wirklich auch der eher unscheinbare VW-Käfer eine Kathedrale? Er war es sogar noch viel mehr, wenn man Barthes' Erklärung glaubt, das Auto sei "eine große Schöpfung der Epoche, die mit Leidenschaft von unbekannten Künstlern erdacht wurde und die in ihrem Bild, wenn nicht überhaupt im Gebrauch von einem ganzen Volk benutzt wird, das sich in ihr ein magisches Objekt zurüstet und aneignet".


Diese Magie für ein ganzes Volk beschwört das Buch "Generation Käfer" (Eichborn-Verlag), mit dem Jürgen Brater zum Florian Illies der heute 60- bis 70-jährigen werden möchte. Die quasi-erotisch detaillierte Beschreibung eines alten Volkswagens eröffnet ein wehmütiges Epochenpanorama der fünfziger und sechziger Jahre. Typisch ist, wie hier sogar der Mangel an Komfort zum Insignium einer Welt verklärt wird, die überschaubar war und nach einfachen Regeln funktionierte. Gewiß waren Radios, mit nur zwei Knöpfen für Lautstärke und Sendersuche einfacher zu bedienen als die heutigen Hifi-Computer mit 70-seitiger Gebrauchsanweisung - aber vermißt denn irgend jemand wirklich das Zwischengas oder die Heizung, die nur kalt oder glühend heiß kannte? Doch die Unbequemlichkeit der Autos von früher verbindet sie auch mit den gotischen Kathedralen: Kirchenbänke und Kirchenfenster sind erst im späten Mittelalter Standard geworden. Solange die Religion noch jung und kräftig ist, fordert sie von den Gläubigen ganz selbstbewußt ein wenig Bereitschaft zur Qual. Das gilt für den Automobilismus genauso wie fürs Christentum.


Deshalb muß man beim derzeit krisengebeutelten VW-Konzern "Herbie" oder "Generation Käfer" mit gemischten Gefühlen betrachten. Zwar hat man im Film Schleichwerbung plaziert - Herbie verliebt sich in einen New Beetle -, aber gerade das Nebeneinander von Alt und Neu zeigt den Unterschied um so grausamer. Der Beetle sieht aus wie ein Käfer mit Botox-Lippen und Silikonbrüsten. Wahrscheinlich wird er Herbie nach dem ersten Sex eine Bordellrechnung ausstellen. Der blöde Witz erinnert an eine traurige Wahrheit: In der Käfer-Ära wurde Volkswagen von Heinrich Nordhoff geleitet, einem gläubigen Katholiken, der italienische Gastarbeiter nach Wolfsburg holte, weil er damit das ultramontane Element im eher protestantischen Niedersachsen stärken wollte. Weiter als Nordhoff kann man von der Viagra-Welt des derzeitigen Konzernmanagements überhaupt nicht entfernt sein. Braters "Generation Käfer"-Buch trägt den Untertitel "unsere besten Jahre". Das bezieht sich einerseits auf die alten Herren, deren Jugend darin verklärt wird. Es meint aber auch die BRD insgesamt. Erstaunlicherweise ist es mittlerweile ja Konsens, daß die Fünfziger und Sechziger die goldene Epoche Westdeutschlands waren. Und das, obwohl fast alles noch nicht existierte, was heute als unverzichtbar gilt: Fitneßstudios, Sushi, Deodorant, digitale Elektronik, Verhütungsmittel, enthaarte Beine, Flugreisen oder Dispokredite. Dafür gab es etwas anderes im Übermaß, das jetzt vollständig verschwunden ist: Hoffnung.


Der Käfer war damals so etwas wie das Internet. Eine Innovation, mit der sich die Ahnung einer besseren Zukunft verband. Mit dem Unterschied, daß der Käfer sein Versprechen erfüllt hat. Nicht nur in Deutschland. Daran erinnert Barry Levinsons wunderschöner Film "Tin Men" aus dem Jahr 1987. Die Geschichte spielt 1963 in der US-Provinzmetropole Baltimore. Hin und wieder kommt einer der ersten Käfer ins Bild. Man sieht den wirtschaftlichen Abstieg des Aluminiumfassaden-Vertreters Ernest (Danny DeVito) mit viel freundlicheren Augen, wenn er einem Freund erklärt: "Ich habe da so eine Idee für ein ganz neues Geschäft." Denn er will offenbar eine VW-Niederlassung eröffnen. Damals war das eine gute Idee.



Quelle: Die Welt
Ein runder Gruß
Sylvia


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The_Beetledriver
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Re: Läuft und läuft und läuft

Beitragvon The_Beetledriver » Dienstag 19. Juli 2005, 13:50

rote Zora hat geschrieben:Herbie verliebt sich in einen New Beetle -, aber gerade das Nebeneinander von Alt und Neu zeigt den Unterschied um so grausamer. Der Beetle sieht aus wie ein Käfer mit Botox-Lippen und Silikonbrüsten. Wahrscheinlich wird er Herbie nach dem ersten Sex eine Bordellrechnung ausstellen


:dagegen: :kotz: :clownnase: :wall: :motz: :schlagen: :doof:
Zuletzt geändert von The_Beetledriver am Dienstag 19. Juli 2005, 13:51, insgesamt 1-mal geändert.
:P Ein Leben ohne Beetle ist möglich, aber doof :P

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Highlander
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Beitragvon Highlander » Dienstag 19. Juli 2005, 15:37

..........Umnachtung :herbie10:

So einen Schwannsinn kann man nur dort lesen!

Mal gut, das ich KEIN potenzieller Leser dieser exotischen Presse bin :wink:


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