VW sucht seine Form
Verfasst: Donnerstag 17. April 2003, 12:15
Pischetsrieder statt Piëch, Spaßmobile statt Luxusspielzeug. Der neue VW-Lenker setzt auf frisches Design und erschwingliche Funmobile für junge Leute.
Kehrtwende in Wolfsburg. Nach den Kraftakten Touareg und Phaeton, mit denen sich VW unter Ex-Boss Ferdinand Piëch höher positionieren wollte, steuert der neue Konzernchef Bernd Pischetsrieder zurück in altangestammtes VW-Revier. Spaß- und Sparmobile sollen die Marke wieder attraktiv machen – und das vor allem für Kunden mit schmalem Geldbeutel.
Das beweist demnächst eine Reihe neuer Varianten auf Basis des Golf V, das dokumentiert der aggressiv gepreiste C1 (er füllt die Lücke zwischen Passat und Phaeton), und das unterstreichen auch zwei neue Modelle am unteren Ende der Gewichts- und Größenskala: • das Zwei-Liter-Stadtauto als erschwingliche Evolution des kompromisslosen Ein-Liter-Autos und als sparsame Vollwert-Alternative zum Smart city-coupé • der zweisitzige Mittelmotor-Roadster als Leichtbausportwagen, der so gut geht wie ein Porsche Boxster – aber halb so viel kosten und verbrauchen soll.
Endgültig vom Tisch ist dagegen der Nardo, jenes von Giugiaro gestylte Mittelmotorauto, das als Roadster und als Coupé auf diversen Automobilausstellungen für Furore sorgte. Gegen den Nardo W12 sprach nicht nur das verwechselbare Design, sondern auch die Positionieruung in einer Preis- und Leistungsklasse, die im Konzern eher für Audi und Lamborghini als für Volkswagen vorgesehen ist.
Wenn alles nach Plan läuft, dann debütiert der neue kompakte Sportwagen im Oktober 2003 auf der Tokyo Motor Show. Der Vorstandsvorsitzende beschreibt das Projekt als "ein Auto, das Spaß macht, das man buchstäblich erfahren kann, das aber als typischer VW bezahlbar bleibt". Wie das funktioniert? "Durch intelligenten Leichtbau als wegweisende Technologie, die nicht nur für dieses eine Modell, sondern für den gesamten Konzern von Bedeutung ist." Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Rüsselsheim, die bei ihrem Speedster auf Basis des Lotus Elise auf eine Ein-Material-Lösung aus Leichtmetall setzt, entstehen die Mittelmotor-Volkswagen in Mehr-Material-Mischbauweise.
Neben Aluminium und Magnesium kommen auch hochfeste Stahlsorten und verstärkte Kunststoffe zum Einsatz. Fast so spannend wie die Werkstoffauswahl ist die Fügetechnik: Hier wird je nach Bedarf geschweißt, genietet, geklebt oder verschraubt.
"Dinge, die schon beim Ein-Liter-Auto kaum bezahlbar waren – zum Beispiel das Kohlefaser-Cockpit –, werden wir natürlich weglassen", erklärt Bernd Pischetsrieder. "Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, das Auto so zu gestalten, dass man damit auch noch Geld verdienen kann. Deswegen habe ich die Leichtbaukompetenz zur Chefsache gemacht, die auf Konzernebene behandelt wird und künftig nicht mehr bestimmten Marken – ich denke da vor allem an Audi – vorbehalten ist. Damit hinterher die Zahlen stimmen, macht es Sinn, das Zwei-Liter-Auto, das auch ein Stadtauto sein kann, schon in der Konzeptphase mit dem Sportwagen zu koordinieren."
Extreme Leichtbau-Roadster wie der Caterham Super Seven oder der Donkervoort D8 wiegen rund 600 Kilo – ein Gewichtsziel, das auch die Wolfsburger im Visier haben. Der VW kommt zwar ohne Servolenkung aus, doch auf wichtige Sicherheitsfeatures – Airbags, ABS und ESP – will man nicht verzichten. Komfortelemente wie Fensterheber, Zentralverriegelung oder Klimaanlage sollen auf dem Wege der Miniaturisierung nachgereicht werden.
Die Komponenten im Bonsai-Format sind zwar teuer, aber dafür belasten sie das Gewichtsbudget nicht über Gebühr. Um die Schwungmasse möglichst klein zu halten, soll das Zwei-Liter-Auto, das vermutlich von einem Dreizylinder-Diesel angetrieben wird, die magische 600-Kilo-Grenze knacken. Der Sportwagen darf dagegen rund 700 Kilo wiegen. Damit wäre er immer noch 170 Kilo leichter als ein ähnlich motorisierter Opel Speedster.
Die Palette der möglichen Antriebsvarianten ist so breit wie das Teileregal von VW. Ein Diesel ist möglich, aber nicht nötig, denn sein Verbrauchsvorteil wird durch das geringe Fahrzeuggewicht relativiert. Wir fragten Bernd Pischetsrieder nach seinem Wunschmotor: "Gut geeignet wäre ein Vierzylinder-Direkteinspritzer mit 2,0 Liter Hubraum und 150 PS. Ich rechne mit einem Normverbrauch von fünf Litern – bei Fahrleistungen, die einem Porsche Boxster kaum nachstehen."
So legt VW mehr Wert auf eine zügige Beschleunigung als auf eine rekordverdächtige Höchstgeschwindigkeit. Der Zweisitzer könnte in 5,5 Sekunden von null auf 100 km/h spurten und 235 km/h schnell sein. Mit Ausnahme der Karosserie sind alle wesentlichen Aggregate bereits vorhanden. Beim Getriebe handelt es sich um jenes geniale Direktschalträderwerk mit sechs Gängen, das wir im Golf R32 und im Audi TT V6 kennen und lieben gelernt haben. Die Vorteile: keine Zugkraftunterbrechung beim Hochschalten, vollwertiger Automatikmodus und Schaltwippen am Lenkrad.
Vier Scheibenbremsen sind für ein Auto dieser Art ebenso selbstverständlich wie eine spontan ansprechende Zahnstangenlenkung und eine standesgemäße 17-Zoll-Mischbereifung. Um die Entwicklungskosten flachzuhalten, wird selbst die Radaufhängung dem Konzernbaukasten entnommen. Im Gegensatz zum Lotus, der auf doppelte Querlenker setzt, vertraut VW auf Federbeine und Dreiecklenker. Die Hinterachse stammt im Prinzip vom Polo, wird aber zusammen mit dem Triebkopf um 180 Grad gedreht eingebaut. Kommentar aus der Chefetage: "Wir machen keine Autos, mit denen wir kein Geld verdienen. Deshalb sind wir immer dann besonders erfinderisch, wenn es darum geht, ungewöhnlich ambitionierte Kostenziele zu erreichen ..."
Für den neuen VW-Designer Peter Schreyer und sein Team sind die Mittelmotor-Autos eine erste und entsprechend wichtige Bewährungsprobe. Assistiert vom obersten Formfinder Hartmut Warkuß und von dessen designiertem Nachfolger Murat Günak, muss Schreyer versuchen, dem Showcar bereits jene Formensprache mit auf den Weg zu geben, die später auch den neuen Passat, den C1 und einige Golf-Derivate prägen wird.
Als besondere Herausforderung gilt das neue VW-Gesicht, das ausdrucksstärker, plakativer und emotionaler werden soll. Chromakzente, ein kleineres Markenlogo und eine innovative Leuchtengraphik gehören neben dem stärker gepfeilten Vorderwagen zu den Stilelementen mit besonders hohem Wiedererkennungswert.
Die Marketingexperten brüten inzwischen über Stückzahlen und Preisstellungen. Noch ist nichts entschieden, aber nach aktuellem Informationsstand soll der Wagen Mitte 2005 in Produktion gehen. Die Verdecklösung dürfte die passive Sicherheit einer Targa-Karosse mit der Luftigkeit eines Cabrios verbinden – "dieses Auto muss auch offen möglich sein", fordert jedenfalls die Nummer eins im Konzern. Auf die Frage nach dem Preis haben wir leider noch keine Antwort bekommen. Insider sprechen von rund 23.000 Euro, aber so richtig hart ist diese Zahl noch nicht. Warten wir es ab.
Zu den potenziellen Kunden des neuen Mittelmotor-Sportwagens gehört übrigens auch die Tochter des Vorstandsvorsitzenden. Die Wartezeit überbrückt die junge Dame, anglophil angehaucht wie der Herr Papa, mit einem Lotus Elise ...
Quelle: Autobild
Kehrtwende in Wolfsburg. Nach den Kraftakten Touareg und Phaeton, mit denen sich VW unter Ex-Boss Ferdinand Piëch höher positionieren wollte, steuert der neue Konzernchef Bernd Pischetsrieder zurück in altangestammtes VW-Revier. Spaß- und Sparmobile sollen die Marke wieder attraktiv machen – und das vor allem für Kunden mit schmalem Geldbeutel.
Das beweist demnächst eine Reihe neuer Varianten auf Basis des Golf V, das dokumentiert der aggressiv gepreiste C1 (er füllt die Lücke zwischen Passat und Phaeton), und das unterstreichen auch zwei neue Modelle am unteren Ende der Gewichts- und Größenskala: • das Zwei-Liter-Stadtauto als erschwingliche Evolution des kompromisslosen Ein-Liter-Autos und als sparsame Vollwert-Alternative zum Smart city-coupé • der zweisitzige Mittelmotor-Roadster als Leichtbausportwagen, der so gut geht wie ein Porsche Boxster – aber halb so viel kosten und verbrauchen soll.
Endgültig vom Tisch ist dagegen der Nardo, jenes von Giugiaro gestylte Mittelmotorauto, das als Roadster und als Coupé auf diversen Automobilausstellungen für Furore sorgte. Gegen den Nardo W12 sprach nicht nur das verwechselbare Design, sondern auch die Positionieruung in einer Preis- und Leistungsklasse, die im Konzern eher für Audi und Lamborghini als für Volkswagen vorgesehen ist.
Wenn alles nach Plan läuft, dann debütiert der neue kompakte Sportwagen im Oktober 2003 auf der Tokyo Motor Show. Der Vorstandsvorsitzende beschreibt das Projekt als "ein Auto, das Spaß macht, das man buchstäblich erfahren kann, das aber als typischer VW bezahlbar bleibt". Wie das funktioniert? "Durch intelligenten Leichtbau als wegweisende Technologie, die nicht nur für dieses eine Modell, sondern für den gesamten Konzern von Bedeutung ist." Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Rüsselsheim, die bei ihrem Speedster auf Basis des Lotus Elise auf eine Ein-Material-Lösung aus Leichtmetall setzt, entstehen die Mittelmotor-Volkswagen in Mehr-Material-Mischbauweise.
Neben Aluminium und Magnesium kommen auch hochfeste Stahlsorten und verstärkte Kunststoffe zum Einsatz. Fast so spannend wie die Werkstoffauswahl ist die Fügetechnik: Hier wird je nach Bedarf geschweißt, genietet, geklebt oder verschraubt.
"Dinge, die schon beim Ein-Liter-Auto kaum bezahlbar waren – zum Beispiel das Kohlefaser-Cockpit –, werden wir natürlich weglassen", erklärt Bernd Pischetsrieder. "Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, das Auto so zu gestalten, dass man damit auch noch Geld verdienen kann. Deswegen habe ich die Leichtbaukompetenz zur Chefsache gemacht, die auf Konzernebene behandelt wird und künftig nicht mehr bestimmten Marken – ich denke da vor allem an Audi – vorbehalten ist. Damit hinterher die Zahlen stimmen, macht es Sinn, das Zwei-Liter-Auto, das auch ein Stadtauto sein kann, schon in der Konzeptphase mit dem Sportwagen zu koordinieren."
Extreme Leichtbau-Roadster wie der Caterham Super Seven oder der Donkervoort D8 wiegen rund 600 Kilo – ein Gewichtsziel, das auch die Wolfsburger im Visier haben. Der VW kommt zwar ohne Servolenkung aus, doch auf wichtige Sicherheitsfeatures – Airbags, ABS und ESP – will man nicht verzichten. Komfortelemente wie Fensterheber, Zentralverriegelung oder Klimaanlage sollen auf dem Wege der Miniaturisierung nachgereicht werden.
Die Komponenten im Bonsai-Format sind zwar teuer, aber dafür belasten sie das Gewichtsbudget nicht über Gebühr. Um die Schwungmasse möglichst klein zu halten, soll das Zwei-Liter-Auto, das vermutlich von einem Dreizylinder-Diesel angetrieben wird, die magische 600-Kilo-Grenze knacken. Der Sportwagen darf dagegen rund 700 Kilo wiegen. Damit wäre er immer noch 170 Kilo leichter als ein ähnlich motorisierter Opel Speedster.
Die Palette der möglichen Antriebsvarianten ist so breit wie das Teileregal von VW. Ein Diesel ist möglich, aber nicht nötig, denn sein Verbrauchsvorteil wird durch das geringe Fahrzeuggewicht relativiert. Wir fragten Bernd Pischetsrieder nach seinem Wunschmotor: "Gut geeignet wäre ein Vierzylinder-Direkteinspritzer mit 2,0 Liter Hubraum und 150 PS. Ich rechne mit einem Normverbrauch von fünf Litern – bei Fahrleistungen, die einem Porsche Boxster kaum nachstehen."
So legt VW mehr Wert auf eine zügige Beschleunigung als auf eine rekordverdächtige Höchstgeschwindigkeit. Der Zweisitzer könnte in 5,5 Sekunden von null auf 100 km/h spurten und 235 km/h schnell sein. Mit Ausnahme der Karosserie sind alle wesentlichen Aggregate bereits vorhanden. Beim Getriebe handelt es sich um jenes geniale Direktschalträderwerk mit sechs Gängen, das wir im Golf R32 und im Audi TT V6 kennen und lieben gelernt haben. Die Vorteile: keine Zugkraftunterbrechung beim Hochschalten, vollwertiger Automatikmodus und Schaltwippen am Lenkrad.
Vier Scheibenbremsen sind für ein Auto dieser Art ebenso selbstverständlich wie eine spontan ansprechende Zahnstangenlenkung und eine standesgemäße 17-Zoll-Mischbereifung. Um die Entwicklungskosten flachzuhalten, wird selbst die Radaufhängung dem Konzernbaukasten entnommen. Im Gegensatz zum Lotus, der auf doppelte Querlenker setzt, vertraut VW auf Federbeine und Dreiecklenker. Die Hinterachse stammt im Prinzip vom Polo, wird aber zusammen mit dem Triebkopf um 180 Grad gedreht eingebaut. Kommentar aus der Chefetage: "Wir machen keine Autos, mit denen wir kein Geld verdienen. Deshalb sind wir immer dann besonders erfinderisch, wenn es darum geht, ungewöhnlich ambitionierte Kostenziele zu erreichen ..."
Für den neuen VW-Designer Peter Schreyer und sein Team sind die Mittelmotor-Autos eine erste und entsprechend wichtige Bewährungsprobe. Assistiert vom obersten Formfinder Hartmut Warkuß und von dessen designiertem Nachfolger Murat Günak, muss Schreyer versuchen, dem Showcar bereits jene Formensprache mit auf den Weg zu geben, die später auch den neuen Passat, den C1 und einige Golf-Derivate prägen wird.
Als besondere Herausforderung gilt das neue VW-Gesicht, das ausdrucksstärker, plakativer und emotionaler werden soll. Chromakzente, ein kleineres Markenlogo und eine innovative Leuchtengraphik gehören neben dem stärker gepfeilten Vorderwagen zu den Stilelementen mit besonders hohem Wiedererkennungswert.
Die Marketingexperten brüten inzwischen über Stückzahlen und Preisstellungen. Noch ist nichts entschieden, aber nach aktuellem Informationsstand soll der Wagen Mitte 2005 in Produktion gehen. Die Verdecklösung dürfte die passive Sicherheit einer Targa-Karosse mit der Luftigkeit eines Cabrios verbinden – "dieses Auto muss auch offen möglich sein", fordert jedenfalls die Nummer eins im Konzern. Auf die Frage nach dem Preis haben wir leider noch keine Antwort bekommen. Insider sprechen von rund 23.000 Euro, aber so richtig hart ist diese Zahl noch nicht. Warten wir es ab.
Zu den potenziellen Kunden des neuen Mittelmotor-Sportwagens gehört übrigens auch die Tochter des Vorstandsvorsitzenden. Die Wartezeit überbrückt die junge Dame, anglophil angehaucht wie der Herr Papa, mit einem Lotus Elise ...
Quelle: Autobild