Wie viel Golf braucht der Mensch? Antwort: weniger Kernmodelle, mehr Varianten. Um den Absatz zu stabilisieren, suchen immer mehr Hersteller ihr Heil in der Nische. Das gilt auch für Volkswagen. Vom Golf IV gab es nur vier Versionen: Schrägheck, Stufenheck, Kombi, Cabrio. Der Golf V rollt dagegen ab 2006 in sieben verschiedenen Ausführungen vom Band: Schrägheck, Touran, Caddy, Hochdachmodell (plus), Bora Stufenheck, Bora Kombi, Coupé-Cabriolet.
Der wichtigste Hoffnungsträger im Golf-V-Programm ist der "plus". Das ist ein Golf mit zehn Zentimeter höherem Dach bei gleicher Länge. Ein Blick zur Tochter Seat zeigt, wie das Auto aussehen könnte: Dort heißt es Altea.
Die Zielvorgaben für das Hochdachmodell sind ausgesprochen ehrgeizig. Schon 2005 will der Konzern in Europa 245.000 Einheiten bauen und verkaufen – damit überträfe der Newcomer den Touran um 70.000 Stück. Mittelfristig soll der plus in China zusätzlich 100.000 Kunden binden. Ob das zu schaffen ist?
Die Wolfsburger Marketingstrategen sind zuversichtlich. Sie verweisen auf das gefällige Design, auf das deutlich verbesserte Platzangebot (mehr Kopffreiheit, mehr Kofferraum), auf die entspanntere Sitzposition und die souveräne Rundumsicht. Spielentscheidend ist jedoch der Preis – und der steht noch nicht endgültig fest. Fix ist dagegen die Positionierung auf halber Höhe zwischen Golf Schrägheck und dem inzwischen abgesegneten Variant, der allerdings auf Bora-Basis das Licht der Welt erblicken soll. Der Caddy ist deutlich günstiger, der Touran spürbar teurer.
Der Golf plus wird zwar schon im Dezember 2004 auf der Bologna Motor Show vorgestellt, doch der Verkauf beginnt erst im Februar 2005. Die Motorenpalette soll relativ klein gehalten werden – kein 160-PS-TDI, kein 200-PS-GTI und natürlich auch keine R-Version.
Der 150 PS starke FSI-Vierventiler dürfte schon 2006 durch einen aufgeladenen 1,8-Liter mit unveränderter Leistung, aber von 200 auf 250 Nm angehobenem Drehmoment ersetzt werden. Der Partikelfilter für die drei Diesel ist vermutlich erst Ende nächsten Jahres verfügbar.
Da der Golf plus konstruktiv mit dem Seat Altea verwandt ist, darf man kein ausgesprochenes Raumwunder erwarten. Auch in puncto Variabilität kommt der VW weder an den Renault Scénic noch an die neue A-Klasse heran. Die Sitze in der zweiten Reihe sind zwar auf Wunsch beheizbar, aber man kann sie weder in Längsrichtung verstellen noch mit zwei Handgriffen ausbauen. Dafür gibt's Airbags auch hinten, Gurtstraffer rundum und beidseitig Windowbags.
Der Golf plus ist ein guter Allrounder, aber kein Alleskönner: Der Touran kann mehr Fahrgäste mitnehmen, der Bora Variant mehr Gepäck. Ermutigt durch den Achtungserfolg des Polo Fun, hat der Vorstand auch auf Golf-plus-Basis eine Freizeitvariante in Auftrag gegeben. Im Gegensatz zum Polo wird das größere Hochdachauto gegen Aufpreis mit dem 4Motion-Allradantrieb zu haben sein. Diese Strategie erinnert nicht nur an den glücklosen Golf Country, sie gräbt unter Umständen auch dem für 2007 fest eingeplanten Compact-SUV das Wasser ab.
Ohnehin stellt sich die Grundsatzfrage, ob VW wirklich vier verschiedene Raumfahrzeuge auf Golf-Basis braucht. Wäre es nicht lukrativer, dieses nüchterne Quartett durch ein echtes Spaßauto aufzulockern? Wir denken da zum Beispiel an ein knackiges Coupé, einen puristischen Speedster oder ein sportliches Steilheck im Stil des fast vergessenen Honda Accord Aerodeck.
Zum Thema Spaß präsentiert VW auf dem Pariser Salon im Oktober die Serienversion des neuen Golf GTI. Der GTI-Kult begann 1976 mit einer ursprünglich auf 5000 Stück begrenzten Sonderserie. Daraus wurden inzwischen über 1,5 Millionen Gölfe im Schafspelz – doch diese stolze Zahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Glanz der frühen Jahre längst verblasst ist.
Der Golf IV war mit GTI-Paket ein nur ansatzweise eingelöstes Versprechen, der geplante 180 PS starke Polo GTI blieb in der Wolfsburger Bürokratie stecken, und der Lupo GTI ist ein teures Mauerblümchen. Die als Über-GTI positionierten Typen Golf VR6 und R32 waren brillante Fahrmaschinen – leider gehandikapt durch zu hohe Unterhaltskosten.
Der fünfte Golf GTI knüpft zumindest optisch an das Urmodell an. Diesmal ist wieder der Bereich um die Heckscheibe geschwärzt, ebenfalls das Umfeld des vorderen Nummernschildes. Dazu der rot eingerahmte Grill, die dunklen Schweller und der große Heckspoiler als kleine Verbeugungen vor einer großen Vergangenheit.
Zu den neuen GTI-Attributen gehören Fünf-Loch-Räder mit Reifen der Dimension 225/40 ZR 18, runde Zusatzscheinwerfer in der Frontschürze, rot lackierte Bremssättel und ein verchromter Doppelrohr-Auspuff. Der Innenraum verwöhnt mit Sportsitzen, diversen Aluminium-Applikationen, einem griffigen Lederlenkrad – und mit liebevollen Details wie dem Schaltknauf im klassischen Golfball-Design.
Die Technik kennen wir aus dem A3 2.0T FSI Sportback : Turbomotor mit Direkteinspritzung, 200 PS und 280 Nm, wahlweise Sechsganghandschalter oder DSG, Frontantrieb, größere Bremsen (354 mm Durchmesser), elektromechanische Lenkung, Sportfahrwerk.
Weil der Golf deutlich leichter ist als der A3, darf man noch bessere Fahrleistungen erwarten. Die Rede ist von 6,9 Sekunden (0–100 km/h) und 240 km/h Spitze. Während der erste GTI mit 110 PS nur 810 Kilo wog und weniger als 14.000 Mark kostete, muss man für den rund 1290 Kilo schweren Nachfolger mit 200 PS über 25.000 Euro anlegen – das sind die Kapriolen des Fortschritts.
Quelle: autobild
